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Oschatz wieder Garnison
Wieder Kavallerie in den alten Kasernen: Eine Remonteschule
aus der Festzeitung zur "70 Jahrfeier" des 1. Kgl. Sächs. Ulanen-Regiments Nr. 17 vom 5. bis 7.Juni 1937 in Oschatz


Die Kasernen des Regimentes teilten nach dem trüben Ende des Weltkrieges das Schicksal so vieler anderer ihresgleichen: sie wurden größtenteils anderen Zwecken zugeführt, meistens zu Wohnungen umgebaut, wenn sie nicht gänzlich nach dem Versailler Vertrag weggerissen werden mussten. Die Vorsehung meinte es immerhin noch gut mit den Oschatzer Ulanen-Kasernen, nur die Stallungen der alten Kaiser-Franz-Joseph-Kasernen mussten, wie erwähnt, geopfert werden die ganzen übrigen Kasernenanlagen selbst konnten nach langen, hartnäckigen Bemühungen erhalten werden. Sie wurden umgebaut zu Wohnungen, die übrigen Gebäude benützt zu Niederlagen, Werkstätten, Fabrikationsräumen und sogar zu Heimen für Oschatzer Kolonial-Pfadfinder.

Jahrelange Bemühungen waren stets und ständig umsonst geblieben, Oschatz wieder zur Garnisonsstadt zu machen. Erst als nach der Machtergreifung kraftvoll dei neue Wehrmacht aufgebaut wurde, da traf in Oschatz die überraschende Kunde ein, das wieder Militär hierher verlegt werden würde. Die anfangs noch mit Zweifel aufgenommene Nachricht wurde jedoch bald zur festen Gewissheit, und alle Vorbereitungen wurden getroffen., dia alten Kasernen, die der zu erwartenden Garnison eingeräumt werden sollten, wieder entsprechend herzurichten. Dazu gehörte in erster Linie die beinahe 80 Familien, die infolge der auch hier herrschenden Wohnungsnot in den benötigten Kasernen untergekommen waren, anderweitig unterzubringen. Es machte sich infolgedessen nötig, einen gewaltigen Wohnungsneubau auszuführen, der gegenüber der alten Kaiser-Franz-Joseph-Kaserne an der aufwärts steigenden Dresdner Straße in kürzester, Tag und Nacht währender Arbeitszeit hergestellt wurde und der im Volksmunde bald den Namen "Millionenbau" erhielt. In ihn siedelten mit dem Anbruch des Jahres 1935 die in den beiden letzten Kasernengebäuden Wohnenden über, und diese selbst wurden sofort wieder zu Kasernen umgewandelt. In Anspruch genommen wurden dabei nur diese noch während der Kriegsjahre erbauten beiden letzten Kasernen, die Friedrich-August- und die Prinz-Albert-Kaserne, während die erste die sogenannte Rote oder Gadegastsche Kaserne mit ihren darin befindlichen Wohnungen nicht benötigt wurde und daher noch heute Wohnzwecken dient. Lediglich die dahinter befindlichen Stallungen wurden wiederhergestellt und wie an anderer, so auch an dieser Stelle durch Neubauten vergrößert.

Zur größten Freude aller Oschatzer, namentlich aber aller noch in Oschatz befindlicher ehemaliger 17er Ulanen, stellte es sich bald heraus, dass es eine kavalieristische Truppe sein würde, die wieder nach Oschatz kommen sollte, und zwar eine Neugründung, eine Wehrkreis-Remonte-Schule. Allmählich wurde dann auch Nähres über die Schule bekannt. Als ihr Kommandeur wurde Oberstleutnant Siegfried von Haugk genannt, noch vielen Oschatzern als ehemaliger Offizier des alten 17er Ulanen-Regiments bestens bekannt, wie selbst der Vater des neuen Kammandeurs, der Generalleutnant Philipp von Haugk in den Jahren 1894-899 Chef der 17er Oschatzer Ulanen gewesen war. Am 1.7.1935 wurde die Wehrkreis-Remonteschule Oschatz gegründet, und nacheinander trafen, abkommandiert von ihren Regimentern. die meistens dem Unteroffizierstande angehörenden neuen Angehörigen der Schule sowie die Reitlehrer ein, ehemalige Kavallerie-Offiziere, nachdem in Vorkommando bereits am 15.6.1935 in Oschatz eingetroffen war. Da infolge des vereinzelten Eintreffens kein besonderer Empfang der neuen Garnison möglich gewesen war, hielt es die Regimentsvereinigung ehem. 17er Ulanen zu Oschatz für selbstverständliche Pflicht, den Kameraden der neuen Wehrmacht ihrerseits ein Willkommen zu entbieten. In einem von echtem kameradschaftlichen Geiste erfüllten Feier in den Sälen des Hauses der Kreisbauernschaft, des "Goldenen Löwen", empfingen die alten 17er Ulanen ihre jungen Waffenbrüder, damit sogleich die ersten Bande zwischen alter und neuer Garnison knüpfend, die durch weiter  Kameradschaftsabende bald eine noch festere Bindung erfahren sollten. Alle Angehörigen der Schule, mit ihrem Kommandeur an der Spitze, waren der Einladung der Regimentsvereinigung gefolgt, in deren Auftrag Kamerad Kählert den jungen Kameraden den Willkommengruß von Oschatz entbot und ihnen dann ein anschauliches Bild der alten Garnsonsstadt Oschatz entwarf. Eine besondere Ehrung konnte die Regimentsvereinigung dem Kommandeur der neuen Schule bereiten, dadurch, dass sie ihm an diesem Abend ein Bild seines Vaters in seiner Uniform als Kommandeur der17er Ulanen überreichen konnte. Auch sonst nahm sich die Regimentsvereinigung der neuer Wehrkreis-Remoonteschule an. Um den Räumen der Schule einen würdigen, soldatischen Schmuck zu verschaffen, sammlte die Regimentsvereinigung  in der Bürgeschaft und unter ihren eigenen Angehörigen Bilder

 

aus dem Leben der ehemaligen 17er Ulanen und der alten Armee und überreichte den so zusammengebrachten reichhaltigen Bilderschmuck in einer kleinen kameradschaftlichen Feier in der Kaserne dem Kommandeur, der damit Stuben und Aufgänge ausschmücken ließ.
Bald trafen auch die ersten Pferde in der Schule ein, und es dauerte nicht lange, so herrschte nach langen, dunklen Jahren wieder frohes, frisches Reiterleben in den ehemaligen Ulanenkasernen. Die Oschatzer Schule war mit eine der ersten Anstalten dieser Art überhaupt. Sie dient dazu, fertig zugerittenesund eingefahrenes Pferdematerial den Truppeteilen der deutsche Wehrmacht zur Verfügung zu stellen, die nicht in der Lage sind, sich selbst geeignetes Pferdematerial für ihre speziellen Zwecke heranzubilden.

Trotz der heute vorherrschenden Motorisierung ist der Pferdebedarf der Wehrmacht trotzdem weit größer, als es in der viel weniger oder fast gar nicht motorisierten alten Armee der Fall war. Diesen Bedarf zu decken, dienen die Remonteschulen, die ihr Vorbild hatten in der sogenannten Remonteamtsnebenstellen der Reichswehr. Unter Leitung von Reitlehrern, Offizieren der Reichswehr, wurden hier von ehemaligen Angehörigen der Reichswehr, langjährig gedienten Uneroffizieren und Wachtmeistern, die auf Zivildienstvertrag angestellt waren, die Remonten für die Reichswehr eingeritten und eingefahren. Mit dem Neubau der Wehrmacht aber mussten naturgemäß diese, halbzivilen Charakter tragenden Anstalten verschwinden und rein militärischen Einrichtungen Platz machen, eben den Wehrkreis-Remonteschulen. Als eine der ersten wurde die Oschatzer Schule eingerichtet. Sie hat die Aufgabe, Infanterie- und Zugpferde auszubilden, sie voll verwendungsfähig für die speziellen Zwecke der Truppe, sie geländesicher zu machen und sie namentlich an alle die Geräusche zu gewöhnen, die der moderne Straßenverkehr und militärischer Dienstbetrieb mit sich bringen. Zugeteilt werden dazu den Schulen von der Koppel kommende Vierjährige aus allen Zuchtgebieten. Zur Ausbildung befinden sich im Durchschnitt knapp 400 solche Remonten in Oschatz, die von einem Personal von etwa 200 Mann betreut werden. Rund 250 ausgebildete Pferde sind im Jahre 1936 erstmalig bereits abgegeben worden.

Intereressant ist die Ausbildung der sich anfangs noch recht ungebärig benehmenden Remonten. Nahm man die Remonten früher an die berühmte "Longe", so kommt sie heute in den sogenannten "Laufgarten", dem früheren "Couloir", einem nur wenige Meter breiten, beiderseits eingezäunten runden oder ovalen Gang. Hier lernt die Remonte allmählich in den drei Gangarten Schritt, Trab und Galopp zu gehen. Dann werden ihr Sattel und Gurt angelegt, und hat die Remonte sich auch daran gewöhnt, sitzt der Reiter erstmalig auf, während die Remonte noch geführt wird. Hat sie nun Sattel und Reiter tragen gelernt, darf sie den Laufgarten verlassen und kommt auf die Reitbahn und Reithalle. Hier lernt das junge Pferd unter steter Aufsicht des Reitlehrers, zunächst nur mit Trense und ohne Sporen geritten, allmählich alles das, was zu einem fertigen Militärpferde gehört. Klettern wird gegenüber in der alten Lehmgrube an der Dresdner Straße geübt, an den modernen Verkehr gewöhnt es sich bei wiederholten Ausritten durch die Stadt, und Geländesicherheit erwirbt es sich auf den regelmäßig durchgeführten Geländejagden. Die zur Verfügung des Reichskriegsministers stehenden Offizierreitpferde verbeliben 2 Jahre in der Schule, während die Zug- und Reitpferde bereits nach einjähriger Ausbildung Oschatz verlasen. Ist der Vormittag dem Reiten gewidmet, so wird an den Nachmittagen meisten das Einfahren mit den hochrädrigen Einfahrwagen vorgenommen, die in dem Stadtbilde von Oschatz schon eine bekannte Erscheinung geworden sind. Auch Fahrunterricht für Rekruten der Schule wird erteilt, die theoreitsche Ausbildung erfolgt dabei am Fahrlehrgerät. Auch die genauer Kenntnis der Kreuzleine gehört mit zu dem Ausbildungsplan der Rekruten.

Drei Neubauten sind nach der Belegung der Kasernen mit der Schule noch entstanden, der einer modernen Schmiede mit zwei Beschlagstätten, eines Krankenstalles mit Operationsraum für den der Schule zugeteilten Stabsveterinär, sowie der eines geräumigen Fahrzeugschuppens. Völlig umgestaltet sind auch die Kasernenräume selbst. Außer den Unterkunftsräumen der Mannschaften und Unteroffiziere befinden sich hier die Büros der Schule und der Standortverwaltung Oschatz, die Truppenkrankenstube, das "Revier" von einst. das geräumige Bad, Gasschutzraum, Küche, Mannschaftsspeiseraum, Mannschaftskantine, Unteroffizierskasino und -kantine, Offizierseßzimmer und Offizierskasinio, sowie das Wehrbezirkskommando Oschatz.


Reiterliche Arbeit in der Wehrkreis-Remonteschule
aus der Oschatzer Gemeinnützigen-Zeitung 26.08.1936
 

Einer Einladung des Wehrkreiskommandos Dresden zur Besichtigung der Wehrkreis-Remonteschule Oschatz waren gestern früh eine Anzahl Vertreter sächsischer Tageszeitungen gefolgt, um sich von der Tätigkeit und Ausbildung in einer solchen Remonteschule zu unterrichten.

Da beim Militär das Frühaufstehen selbstverständlich ist, so mussten auch wir zeitig aus den "Federn", um zur festgesetzten Zeit, 6 Uhr, in der Kaserne einzutreffen. Am Eingang wurden wir vom Kommandeur der Schule, Oberstleutnant von Haugk, empfangen, der auch die Führung selbst unternahm.

Die Schule befindet sich wie früher schon berichtet in den beiden letzten Kasernen des ehem. Oschatzer Ulanen-Regiments denen sich noch ein Wohngebäude mit 25 Wohnungen für verheiratete Unteroffiziere und Gefreite anschließt. Hieran schließen sich zwei große Ställe und ein Fahrzeugschuppen an, die mit den Mannschafts- und Wohnräumen eine Reitbahn und einen Fußdienstplatz umsäumen. Hinter den Ställen liegen das Kammergebäude, die Schiede, der Krankenstall sowie auf einem hinzugewonnenen Stück Land ein neuerbauter dritter Stall und die Sprunggärten der jungen Remonten. Aber auch an die Kinder der verheirateten Bewohner hat man gedacht. Zwei reizende Kinderspielplätze laden die Kleinen unter Obhut einer Kindergärtnerin  zum Spiel ein und schützen sie so vor den Gefahren beim Herumtollen auf der Reitbahn.

Doch nun zum eigentlichen Zweck der Schule: die Ausildung der Remonten. Diese werde 4jährig aus den verschiedensten Zuchtgestüten und Remonteämtern Deutschlands in die Schule übergeführt. Der Zweck der Remonteschulen besteht darin, die Tiere für die Verwendung bei der Truppe zuzureiten und einzufahren. Nach ein- bzw. zweijähriger Ausbildung gehen die Pferde dann in die verschiedenen Truppenteile des Heeres. Da die Kavellerie ihre Pferde meist selbst ausbildet, kommen hierfür Infanterie, Pioniere, usw, in Frage, die diese Pferde als Reit- und Zugtiere, z.B. für die MG-Kompanien benötigen. In der Remonteschule bekommt nun jedes Pferd einen Namen, die jedes Jahr mit einem für alle in dem Jahr auszubildenden Tiere gleichen Anfangsbuchstaben beginnen. Diese Namen behalten die Tiere auch bei dem Truppenteile bei, und es ist dadurch festzustellen, welchem Jahrgang das Tier entstammt. Begannen im vorigen Jahre alle Pferdenamen mit "P", so ist in diesem Jahre das "Qu" an der Reihe. Es war bestimmt nicht leicht, für 300 Pferde Namen mit diesem Anfangsbuchstaben zu finden, aber es gelang und man konnte natürlich in den Ställen auch Namen lesen wie Qualle, Quadratsäufer, Quarktorte usw. Sind nun die jungen Remonten eingeteilt und haben sie sich einigermaßen an den Stall und die Umgebung gewöhnt, dann werden sie gesattelt und in den runden Sprunggarten geführt. Hier müssen sie sich noch ohne Reiter an den Sattel gewöhnen. Ist dies geschehen, so wir aufgesessen, was selbstverständlich gar nicht so leicht ist, denn nicht nur einmal wird der Reiter wieder abgeworfen und nur mit viel Geduld ist etwas zu erreichen. In den Reitbahnen wird das Pferd an die Gangarten Schritt, Trab und Galopp gewöhnt. Eine Gymnastik für die Pferde stellt die vor der Kaserne liegende Sandgrube der Ziegelei Otto dar, hier müssen die Tiere steile Abhänge hinunter- und heraufklettern, und es war erstaunlich, mit welcher Sicherheit die jungen Remonten an diese Abhänge gingen und nicht ein Tier scheute davor zurück. Nach und nach müssen dann die Pferde größere Hindernisse nehmen und werden so für die kommende Bestimmung herangebildet. Die Ausbildungszeit beträgt für gewöhnliche Reit- und Zugtiere ein Jahr, für gute Reitpferde zwei Jahre. Wir Oschatzer hatten im Juni Gelegenheit, bei einem großen Reit- Fahr- und Springturnier die Leistung der zur Truppe abgehenden, ein Jahr ausgebildeten Pferde zu bewundern.
Wohl die wenigsten Besucher werden sich darüber ein richtiges Bild gemacht haben, welch ungeheure Mühe und

 

selbstlose Aufopferung und Geduld dazu gehört, die Pferde so weit zu bringen.
Der Remonteschule gehören zur Zeit 8 Offiziere, 200 Mann und 400 Pferde an. Ein Gang durch die Ställe zeigte, dassalles in peinlichter Ordnung war, besonders interessierten die Selbsttränkeanlagen. Auf dem Futterboden waren elektrische Häckselmaschinen und Haferquetschen als technische Verbesserungen zu verzeichnen. In jedem Stall befindet sich auch eine Telefonanlage, desgleichen auch in den drei Reithallen, wo wegen der ungünstigen Witterung fünf Monate im Jahr geübt werden muss. Eine genau gehende Uhr gehört auch dazu, denn der Reitdienst der 32 Abteilungen muss sich pünktlich abwickeln. Der Kommandeur der Schule, Oberstleutnant von Haugk, hat seit der letzten Besichtigung, zu der unsere Zeitung am 25.November v.J. eingeladen worden



Akrobatik in der Remonteschule *) (Presse-Foto Koch, Dresden)

war, sehr viele Verbesseungen vornehmen lassen. So sind allein 2.300 Bäume und Sträucher aus dem Oschatzer Stadtwald geholt und hier eingepflanzt worden, auch künstlerisch geschnitzte Wegweiser sind vorhanden. Alles dieses dient der Verschönerung der Kaserenen-Anlage. Ein 300 Meter langer Sprunggarten wurde neu geschaffen, ein weiterer runder ist noch im Bau.

Man kann nach dieser Besichtigung wohl sagen, dass unter straffer zielbewusster Führung die Oschatrzer Wehrkreis- Remonteschule ein vorbildliches militärisches Institut darstellt, auf das wir stolz sein können.

*) Rolf Trautvetter aus Oschatz später Fleischermeister in Oschatz
[Anm. G. Berthel]

 


 

 


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